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Wenn die Eigentümerversammlung zur Nachtschicht wird – Wie lange ist zu lang?

Wer sich aktiv in die Gestaltung und Entscheidungsfindung einer Wohnungseigentümergemeinschaft einbringen möchte, braucht Ausdauer und muss gelegentlich auch den Feierabend opfern. Das ist keine neue Entwicklung: Eigentümerversammlungen beginnen traditionell meist am späten Nachmittag oder frühen Abend. Bei umfangreichem Diskussionsbedarf können diese Treffen bis in die Nacht andauern – manchmal sogar bis Mitternacht. Viele Wohnungseigentümer empfinden dies als zu spät, insbesondere wenn sie nach einem langen Arbeitstag noch mehrere Stunden in einem Versammlungsraum oder einem wenig einladenden Hinterzimmer eines Restaurants verbringen sollen. Laut einer Umfrage des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV) aus dem Jahr 2014 starten 64,6 % der Eigentümerversammlungen erst nach 17 Uhr.

Starnberg: Beschlüsse kurz vor Mitternacht können anfechtbar sein

Das Amtsgericht Starnberg zeigt Verständnis für die Belastung durch lange Sitzungen. Eine Versammlungsdauer von fünf bis sechs Stunden hält das Gericht grundsätzlich noch für zumutbar. Beginnt jedoch – wie im entschiedenen Fall – die Versammlung um 17:00 Uhr und wird nach sechseinhalb Stunden ein Beschluss zu einer rechtlich komplexen Angelegenheit gefasst, ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Eigentümer schwierige Sachverhalte noch sorgfältig abwägen können. Das Ergebnis: Der um 23:45 Uhr gefasste Beschluss wurde als formell anfechtbar eingestuft und vom Gericht für unwirksam erklärt (AG Starnberg, Urteil vom 3. September 2010 – 3 C 785/10). Das Gericht hob hervor, dass die Erschöpfung der Teilnehmer nach über sechseinhalb Stunden eine sachgerechte Entscheidung über komplexe Themen, wie etwa schuldrechtliche Vereinbarungen neben Grunddienstbarkeiten, unmöglich mache.

Oldenburg: Auch nach neun Stunden – kein generelles „zu spät“

Anders beurteilte das Amtsgericht Oldenburg eine außergewöhnlich lange Versammlung: Hier traf sich eine der größten Wohnungseigentümergemeinschaften Deutschlands in einer Kongresshalle. Es war die erste Versammlung nach einer pandemiebedingten Pause, weshalb eine umfangreiche Tagesordnung abzuarbeiten war. Die ursprünglich angesetzten sieben Stunden reichten nicht aus – am Ende dauerte die Versammlung über neun Stunden. Da das Treffen bereits an einem Samstag um 11:00 Uhr begann, endete es nicht in den späten Nachtstunden. Dennoch versuchten einige Eigentümer, unerwünschte Beschlüsse mit Verweis auf die lange Dauer anzufechten. Das Gericht berücksichtigte die besondere Situation durch die Corona-Pandemie und die Größe der Gemeinschaft (1.700 Einheiten). Zudem wurde auf die Kostenersparnis hingewiesen, da eine Unterbrechung zusätzliche Mietkosten verursacht hätte. In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass es keine gesetzliche Höchstdauer für Eigentümerversammlungen gibt. Nach § 23 WEG entscheiden die Eigentümer über sämtliche Angelegenheiten der Gemeinschaft, wobei das Gesetz bewusst keine starren Zeitvorgaben macht, um die notwendige Flexibilität zu gewährleisten. Da hier auch nicht die späte Uhrzeit als Argument herangezogen werden konnte, wurden die angegriffenen Beschlüsse nicht aus formellen Gründen für nichtig erklärt (AG Oldenburg in Holstein, Urteil vom 13. Juni 2022 – 16 C 32/21).

Wie lange darf eine Eigentümerversammlung dauern?

Eine pauschale Grenze, ab wann eine Versammlung unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden muss, gibt es nicht. Die Beispiele zeigen, dass sowohl der Beginn als auch das Ende der Versammlung entscheidend sind. Eine am Wochenende früh beginnende Versammlung kann insgesamt länger dauern als eine, die werktags erst am Abend startet. Auch die Einplanung von Pausen ist im Einzelfall relevant. Als Orientierung gilt: Eine Dauer von etwa fünf Stunden wird von vielen als zumutbar angesehen. Ratsam ist es, bei längeren Sitzungen die anwesenden Eigentümer zu fragen, ob sie eine Fortsetzung wünschen.

Besteht die Gefahr, dass eine Versammlung zu lang wird, kann der Verwalter wichtige, komplexe Themen an den Anfang der Tagesordnung setzen, damit weniger anspruchsvolle Punkte erst später behandelt werden. Selbst wenn eine Versammlung als unzumutbar lang angesehen wird, sind nicht automatisch alle Beschlüsse anfechtbar – betroffen sind nur die am Ende gefassten Entscheidungen.

Zusätzlich empfiehlt es sich, regelmäßige Pausen einzuplanen (zum Beispiel 15 Minuten pro Stunde), um die Konzentration der Teilnehmer zu erhalten. Auch die Möglichkeit der virtuellen Teilnahme (§ 23 Abs. 1a WEG) kann die Belastung verringern, da Eigentümer flexibel teilnehmen oder sich zeitweise ausklinken können.

Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und entspricht dem Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Sollten Sie den Eindruck haben, an einer überlangen Versammlung teilgenommen zu haben und rechtliche Beratung wünschen, stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

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