Nach der WEG-Reform 2020 war lange umstritten, ob Wohnungseigentümer einzelne Fehler in Jahresabrechnungen isoliert anfechten können oder immer den gesamten Abrechnungsbeschluss angreifen müssen. Das Landgericht München I (Urteil vom 13.07.2022 (Az. 1 S 2338/22) hatte 2022 entschieden, dass eine Teilanfechtung ausgeschlossen sei. Fehlerhafte Einzelpositionen sollten automatisch zur Ungültigkeit des gesamten Beschlusses führen. Auch das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 07.12.2023 – Az. 2/13 S 27/23) folgte dieser Linie, ließ aber in Einzelfällen Ausnahmen zu, etwa wenn klar abgrenzbare Fehler vorlagen.
Die Kehrtwende durch den BGH
Mit Urteil vom 11. April 2025 (V ZR 96/24) hat der Bundesgerichtshof diese restriktive Praxis deutlich korrigiert. Der BGH stellt klar: Eigentümer können künftig gezielt einzelne, klar abgrenzbare Fehler in der Abrechnung anfechten, ohne dass gleich der gesamte Beschluss aufgehoben werden muss. Voraussetzung ist, dass die beanstandete Position rechnerisch selbstständig ist – etwa eine falsch berechnete Rücklagenentnahme oder ein isolierter Verteilungsfehler. Außerdem muss davon auszugehen sein, dass die Eigentümer den Rest der Abrechnung auch ohne die fehlerhafte Position beschlossen hätten.
Praktische Folgen für Eigentümer und Verwaltung
Für Eigentümer bedeutet das Urteil eine erhebliche Erleichterung: Sie können nun mit überschaubarem Kostenrisiko gegen einzelne Fehler vorgehen, da sich der Streitwert nur noch nach der Höhe der beanstandeten Position richtet. Die Gefahr, wegen kleiner Fehler gleich die gesamte Abrechnung neu aufrollen zu müssen, entfällt. Für Verwalter steigt damit allerdings der Druck, Abrechnungen besonders sorgfältig zu erstellen, da auch kleinere Fehler leichter angreifbar sind.
Diskussion und offene Fragen
Die neue Linie des BGH sorgt für mehr Flexibilität und Gerechtigkeit, wirft aber auch neue Fragen auf. Wann eine Kostenposition tatsächlich „selbstständig“ ist, wird in der Praxis zu klären sein. Auch die Einschätzung, ob die Eigentümer den Beschluss ohne den fehlerhaften Teil gefasst hätten, bleibt im Einzelfall eine Wertungsfrage.
Fazit
Mit dem aktuellen Urteil hat der BGH die Rechte der Wohnungseigentümer gestärkt und die Rechtsprechung der Landgerichte deutlich korrigiert. Teilanfechtungen sind nun möglich, sofern die beanstandeten Fehler klar abgrenzbar sind. Die übrigen Grundsätze zu Angebotseinholung und Klagegegner gelten weiterhin. Für Eigentümer und Verwalter bringt das Urteil mehr Klarheit – und neue Herausforderungen im Umgang mit Abrechnungsbeschlüssen.