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Ordnungsgemäßer Zustand: Wann muss die WEG bauliche Fehler beheben?

Ordnungsgemäßer Zustand: Wann muss die WEG bauliche Fehler beheben?

Immer wieder erleben Wohnungseigentümer, dass Teile des Gemeinschaftseigentums – wie Tiefgarage, Außenanlagen oder Flure – nicht exakt den Vorgaben aus der Teilungs­erklärung oder dem Bauplan entsprechen. Was tun, wenn ein geplanter PKW-Stellplatz plötzlich durch eine fehlplatzierten Mauer unbrauchbar wird? Kann der einzelne Eigentümer verlangen, dass die Gemeinschaft das Problem korrigiert und alles wie ursprünglich geplant herstellt?

Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 20.10.2022 (Az. 36 S 1546/22) eine wichtige Entscheidung zur Durchsetzung von Ansprüchen auf plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums getroffen. Der Fall zeigt exemplarisch, welche Rechte Wohnungseigentümer haben, wenn bauliche Ausführungen von den ursprünglichen Plänen abweichen.

Worum ging es?

Der Kläger erwarb 2019 eine Wohnung sowie zwei nebeneinanderliegende PKW-Stellplätze (Nr. 22 und 23) in einer Tiefgarage. Zwischen seinem Stellplatz und der Tiefgarageneinfahrt befand sich eine Trennmauer, die nach dem Aufteilungsplan nicht vorgesehen war. In der Teilungserklärung wurden die Stellplätze als „PKW-Boxen“ bezeichnet, im Aufteilungsplan hingegen als „Einzelgaragen“ ohne trennende Mauern dargestellt. Der Eigentümer stellte einen Antrag auf Entfernung der Mauer, da diese seine Nutzung der Stellplätze erheblich beeinträchtigte – insbesondere beim Rangieren war die planwidrige Mauer hinderlich.

Die Argumente der Parteien

Der Kläger berief sich auf die Teilungserklärung und den Aufteilungsplan. Die Mauer sei planwidrig errichtet worden und beeinträchtige die bestimmungsgemäße Nutzung seiner Stellplätze. Als einzelner Wohnungseigentümer habe er einen Anspruch darauf, dass das Gemeinschaftseigentum entsprechend den ursprünglichen Plänen hergestellt werde.

Die beklagte Eigentümergemeinschaft argumentierte, bei Erwerb vom Bauträger sei den Erstkäufern bekannt gewesen, dass eine Trennmauer eingezogen werde. Dieser Zustand sei damit als Soll-Zustand vereinbart worden. Zudem habe die WEG durch den Negativbeschluss in der Eigentümerversammlung vom 26.07.2021 den damaligen Errichtungszustand nachträglich als ordnungsgemäß bestätigt. Die Mauer diene auch praktischen Zwecken, etwa als Halterung für den Lichtschalter der Garage.

Die Begründung des Gerichts

Das Landgericht München I gab dem Kläger recht und stützte sich dabei auf die etablierte BGH-Rechtsprechung. Die Richter stellten fest: Jeder Wohnungseigentümer hat grundsätzlich einen Anspruch gegen die Gemeinschaft auf erstmalige plangerechte Herstellung des Gemeinschaftseigentums nach §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Dieser Anspruch umfasst auch die Beseitigung planwidriger baulicher Ausführungen, die bereits bei der Errichtung entstanden sind.

Das Gericht betonte, dass die Teilungserklärung und der Aufteilungsplan eindeutig keine Trennmauer zwischen Stellplatz und Zufahrt vorsahen. Der Begriff „PKW-Boxe“ in der Teilungserklärung könne nicht automatisch als Rechtfertigung für eine Mauer gedeutet werden, da auch andere Stellplätze ohne Trennwände als „Boxen“ bezeichnet wurden. Der bloße Negativbeschluss der Eigentümerversammlung reiche nicht aus, um den Anspruch auf plangerechte Herstellung zu beseitigen – hierzu wäre ein positiver Beschluss erforderlich, der den Soll-Zustand bewusst ändert.

Konsequenzen für die Praxis

Für Wohnungseigentümer: Das Urteil stärkt die Position einzelner Eigentümer erheblich. Sie können auch gegen den Willen der Mehrheit die Beseitigung planwidriger baulicher Ausführungen verlangen, sofern keine außergewöhnlichen Umstände (wie Unzumutbarkeit für die Gemeinschaft) vorliegen. Wichtig ist eine sorgfältige Dokumentation der ursprünglichen Planung durch Teilungserklärung und Aufteilungsplan.

Für Eigentümergemeinschaften: Soll eine planwidrige Ausführung nachträglich als ordnungsgemäß anerkannt werden, genügt nicht die bloße Ablehnung eines Herstellungsantrags. Vielmehr muss die Gemeinschaft durch positiven Mehrheitsbeschluss den abweichenden Zustand ausdrücklich als neuen Soll-Zustand festlegen. Dies setzt voraus, dass die Abweichung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten liegt und nicht gegen zwingende Vorschriften verstößt.

Für Verwalter: Bei Herstellungsanträgen ist eine gründliche Prüfung der Planungsunterlagen erforderlich. Fachkundige Beratung und eine transparente Aufklärung der Eigentümergemeinschaft über die Rechtslage sind unerlässlich, um kostspielige Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Die Rechtsprechung zeigt zudem, dass der Anspruch auf plangerechte Herstellung auch nach der WEG-Reform von 2020 unverändert besteht. Experten betonen, dass dieser Anspruch nur unter dem Vorbehalt eines wirksamen abweichenden Beschlusses nach § 20 Abs. 1 WEG steht – die reine Verweigerung durch die Gemeinschaft reicht nicht aus.

Fazit: Das Münchner Urteil verdeutlicht, dass Wohnungseigentümer starke Rechte bei planwidrigen Ausführungen des Gemeinschaftseigentums haben. Eigentümergemeinschaften müssen berechtigte Herstellungsansprüche ernst nehmen und können diese nur durch ordnungsgemäße Beschlussfassung oder den Nachweis außergewöhnlicher Umstände abwenden.

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