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Neues Urteil: Verwalterpflichten bei Beschlüssen zu baulichen Veränderungen

Für Klarheit hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2020 in der Frage gesorgt, welche Pflichten den Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) treffen, wenn die Eigentümerversammlung nur mit einfacher Mehrheit über bauliche Veränderungen entscheidet. Denn gemäß § 22 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums nur dann beschlossen werden, wenn gleichzeitig jeder Wohnungseigentümer, der von den Veränderungen besonders betroffen ist, dieser Maßnahme zustimmt. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 14 Nr. 1 WEG.

Mehrheitsbeschlüsse wirksam, aber anfechtbar

Gar nicht so selten kommt es dann vor, dass sich die Mehrheit der Gemeinschaft über die Wünsche und Belange der besonders betroffenen Eigentümer hinwegsetzt und eine bauliche Veränderung beschließt. Den Verwalter bringt das in die Bredouille, dass er den Mehrheitsbeschluss verkünden müsste, auch wenn er ganz genau weiß, dass der Beschluss so nicht hätte gefasst werden dürfen und dementsprechend vor Gericht angefochten werden kann.

Erst durch die Verkündung des (anfechtbaren) Beschlusses durch den Verwalter wird der Beschluss rechtswirksam. Dadurch stellte sich die Frage, ob und inwieweit sich der Verwalter selbst schadensersatzpflichtig macht, wenn er einen solchen Beschluss verkündet, obwohl er weiß oder wenigstens wissen müsste, dass dieser anfechtbar ist.

BGH: Keine Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag

Einen solchen Fall hatte der BGH zu entscheiden – es ging um den Umbau eines Einkaufszentrums, den die Wohnungseigentümergemeinschaft einer Teileigentümerin mehrheitlich erlaubte. Ein Eigentümer, der durch diese Maßnahme erhebliche Nachteile erlitten hätte, kippte diesen Beschluss erfolgreich vor dem zuständigen Gericht. Als nächstes wollte er dann die Kosten für seine Anfechtungsklage als Schadensersatz vom Verwalter zurück. Begründung: Der Verwalter hätte den Beschluss nicht verkünden dürfen.

Das sah der BGH am Ende des Instanzenzuges anders – in dem konkreten Fall hatte der Verwalter nicht gegen seine Pflichten aus dem Verwaltervertrag verstoßen.

Verwalterpflichten konkret herausgearbeitet

Im Ergebnis hat der BGH in seinem Urteil vom 29. Mai 2020 – V ZR 141/19 jetzt herausgearbeitet, was der Verwalter im Vorfeld tun muss, um sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen. An erster Stelle steht dabei, dass er als Vorbereitung für die Beschlussfassung über eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 WEG zu prüfen hat, ob einzelne Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen. Über das Ergebnis seiner Prüfung muss er die Eigentümerversammlung informieren und bei Vorliegen der Voraussetzungen auf die Anfechtbarkeit eines Beschlusses hinweisen.

Der Verwalter darf sich irren

Weist der Verwalter nicht auf ein bestehendes Zustimmungserfordernis hin, handelt er zwar pflichtwidrig im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB. Dies gilt allerdings nicht, wenn er sich in rechtlicher Hinsicht geirrt hat – außer, dass seine Einschätzung ganz offensichtlich falsch war. Letzteres wird allerdings in der Praxis kaum der Fall sein. Ein Rechtsirrtum des Verwalters kann ihm daher regelmäßig nicht angelastet werden, wenn der Beschluss in einem späteren Anfechtungsverfahren für ungültig erklärt wird.

Zusätzliche Absicherungsmöglichkeit für den Verwalter

Möchte die Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft sich nicht der im Zweifel unangenehmen Diskussion stellen, ob seine rechtliche Einschätzung einfach nur falsch war oder sogar „offenkundig falsch“, kann er sich durch einen Geschäftsordnungsbeschluss anweisen lassen, den anfechtbaren Beschluss verkünden. Laut BGH ist der Verwalter kein Aufsichtsorgan der Eigentümer, die interne Willensbildung ist Sache der Gemeinschaft.

Es sei deswegen auch Sache der Wohnungseigentümer, zu entscheiden, ob sie den Verwalter in Bestätigung der vorangegangenen Willensbildung anweisen will, einen positiven Beschluss zu verkünden – oder ob sie wegen des Anfechtungsrisikos die Anweisung erteilt, den Beschluss nicht zu verkünden. Nach einem solchen Beschluss muss der Versammlungsleiter dieser Weisung – wie auch immer sie konkret lautet – auf jeden Fall nachkommen. Für eine eigene Verwalterhaftung ist dann kein Raum mehr.

Änderungen nach der WEG-Reform

Dieses BGH-Urteil wird auch nach der WEG-Reform im November 2020 voraussichtlich Bestand haben. Zwar wird es dann privilegierte bauliche Veränderungen geben, die auch gegen den Widerstand von besonders betroffenen Eigentümern mehrheitlich durchgesetzt werden können – das gilt aber voraussichtlich eben nur für die vom Gesetzgeber explizit benannten baulichen Maßnahmen. Grundsätzlich soll es dabei bleiben, dass Wohnungseigentümer, die durch bauliche Veränderungen erhebliche Nachteile erleiden würden, unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in der Versammlung ausdrücklich zustimmen müssen.

Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Wenn Sie zu diesem Thema eine Frage haben oder eine Beratung wünschen, können Sie sich gerne an die Kanzlei Alsterland und Rechtsanwalt Jörn Blank wenden. Rufen Sie einfach an oder melden sich per E-Mail. Beachten Sie bitte, dass zwar weder Kontaktaufnahme noch allgemeine Vorfragen mit Kosten verbunden sind – aber die eigentliche Beratungstätigkeit schon.

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