War Herausforderungen im Verhältnis zwischen Eigentümergemeinschaft und Verwaltung
Die Zusammenarbeit zwischen Wohnungseigentümergemeinschaften und ihren Verwaltungen gestaltet sich oft komplex und konfliktanfällig. Regelmäßig entstehen Auseinandersetzungen, wenn Verwalterpflichten aus Sicht der Eigentümer mangelhaft oder nicht fristgerecht erfüllt werden. Besonders problematisch wird die Situation, wenn die WEG die Zusammenarbeit mit der Verwaltung bereits beendet hat und sich nachträglich Mängel in deren Arbeit herausstellen.
Die zentrale Bedeutung der Jahresabrechnung
Eine besonders kritische Konstellation entsteht bei fehlerhaften Jahresabrechnungen. Anders als bei Vereinen, wo Mitgliedsbeiträge dauerhaft im Gemeinschaftsvermögen verbleiben können, basiert das Finanzwesen einer WEG auf jährlichen Abrechnungen. Diese bilden nicht nur die Grundlage für Einzelabrechnungen gegenüber den Eigentümern, sondern auch für zahlreiche Beschlüsse der Eigentümerversammlung. Eine fehlerhafte Abrechnung muss daher korrigiert werden – doch wie soll dies geschehen, wenn der verantwortlichen Verwaltung bereits gekündigt wurde?
Korrekturmöglichkeiten nach Verwalterwechsel
Der naheliegende Ansatz ist, die ehemalige Verwaltung zur Neuerstellung der Abrechnung aufzufordern. Rechtlich ist dies grundsätzlich möglich, scheitert aber häufig an praktischen Hindernissen wie Personalmangel, Arbeitsüberlastung oder fehlendem Fachwissen beim früheren Verwalter. In solchen Fällen empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen:
- Setzen einer angemessenen Frist zur Nachbesserung
- Bei fruchtlosem Fristablauf: Selbstvornahme gemäß § 637 BGB durch einen fachkundigen Dritten
- Regelung der Kostenfrage – idealerweise durch Einforderung eines Kostenvorschusses vom Vorverwalter
BGH-Rechtsprechung zur Selbstvornahme (Urteil vom 26. Februar 2021 – V ZR 290/19)
Der Bundesgerichtshof hatte 2021 einen Fall zu entscheiden, in dem eine WEG nach gerichtlicher Feststellung einer unwirksamen Jahresabrechnung und einem erfolglosen Korrekturversuch einen Kostenvorschuss für die externe Neuerstellung einklagte. Der BGH gab der WEG grundsätzlich Recht, nahm jedoch eine wichtige Differenzierung vor:
Entscheidende Unterscheidung nach Funktion der Abrechnung
Der BGH unterscheidet präzise nach dem Zweck der Abrechnung:
- Rechnungslegung im Sinne der §§ 675, 666, 259 Abs. 1 BGB:
Dient die Abrechnung primär der Rechenschaftslegung des Verwalters im Rahmen seines Geschäftsbesorgungsvertrags, ist eine Selbstvornahme durch Dritte nicht möglich. Die Versicherung der Richtigkeit der Abrechnung ist eine höchstpersönliche Pflicht des Verwalters, die niemand anderes für ihn erfüllen kann. - Erstellung einer Abrechnungsgrundlage für WEG-Beschlüsse:
Soll die Abrechnung hauptsächlich als Basis für Eigentümerbeschlüsse dienen, insbesondere zur Festlegung von Vorschüssen und Nachzahlungen, fehlt das persönliche Element. Hier handelt es sich um eine „handwerkliche“ Leistung mit konkretem Erfolg. In diesem Fall ist Werkvertragsrecht anwendbar, was eine Ersatzvornahme und einen entsprechenden Kostenvorschussanspruch ermöglicht.
Anwendbarkeit unter dem reformierten WEG-Recht
Obwohl das BGH-Urteil noch auf Grundlage des bis 2020 geltenden Wohneigentumsgesetzes erging, deutet das Gericht an, dass die Entscheidung auch unter dem neuen Recht (§ 28 Abs. 2 WEG n.F.) Bestand haben würde. Trotz geänderter Normen und Kennzeichnungen bleibt die inhaltliche Bewertung unverändert.
Praktische Handlungsempfehlungen
Wohnungseigentümer müssen nicht zwingend akzeptieren, dass eine ehemalige Verwaltung, zu der das Vertrauen verloren gegangen ist, fehlerhafte Abrechnungen nachbessert. Nach dem üblichen Prinzip der Mängelhaftung ist zwar zunächst eine Fristsetzung zur Nachbesserung erforderlich. Bleibt diese jedoch erfolglos, kann die WEG die Abrechnungserstellung einem qualifizierten Dritten übertragen und gemäß § 637 Abs. 3 BGB einen angemessenen Kostenvorschuss verlangen. Voraussetzung ist, dass die Kosten nachvollziehbar begründet werden (z.B. durch einen Kostenvoranschlag) und die Abrechnung primär der Beschlussvorbereitung dient.
Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.