Das Amtsgericht Lübeck hat am 18. März 2022 (Az. 35 C 52/21) entschieden, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) einen Teil ihrer Erhaltungsrücklage in eine Liquiditätsrücklage umwandeln darf. Diese Möglichkeit hilft, kurzfristige finanzielle Engpässe – etwa zu Jahresbeginn, wenn hohe Rechnungen fällig werden, aber die Hausgeldzahlungen noch ausstehen – besser zu überbrücken.
Was war der Streitpunkt?
Eine Eigentümerin hielt die Zweckbindung der Erhaltungsrücklage für verletzt und befürchtete, dass die Rücklage für Instandhaltungen nicht mehr ausreiche. Das Gericht sah das anders: Solange nach der Umwidmung noch genügend Geld für notwendige Reparaturen bleibt, ist eine solche Liquiditätsreserve zulässig und entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Widersprüchliche Meinungen
Nicht alle Gerichte sehen das so großzügig. Das Landgericht München I (Urteil vom 14.07.2016, Az. 36 S 3310/16) fordert, dass solche Beschlüsse klar und nachvollziehbar regeln, wann und wie die Rücklagen verwendet werden dürfen. Auch das Amtsgericht Köln (Urteil vom 17.01.2023, Az. 215 C 48/22) hält die Umwidmung grundsätzlich für zulässig, betont aber die Bedeutung einer ausreichenden „eisernen Reserve“ für künftige Instandsetzungen.
Was heißt das für Eigentümergemeinschaften?
Sie können flexibler auf Liquiditätsprobleme reagieren und müssen nicht sofort Sonderumlagen erheben.
Wichtig ist, dass die Erhaltungsrücklage nach der Umwidmung noch angemessen gefüllt bleibt.
Die Beschlüsse sollten eindeutig formuliert und dokumentiert werden.
Fazit: Das Urteil aus Lübeck schafft mehr Spielraum für die Verwaltung, verlangt aber weiterhin eine sorgfältige Abwägung zwischen Flexibilität und Werterhalt der Immobilie.